Edward George Earle Lytton Bulwer-Lytton, 1st Baron Lytton

  • Hallo zusammen!


    Da ich mich ja mal provisorisch für die Leserunde zu The Last Days of Pompeii angemeldet habe und ich nie gerne nur ein Werk kenne von einem Autor, wenn ich weiss, dass er Dutzende geschrieben hat, habe ich mir neben The Last Days of Pompeii noch zwei andere Werke antiquarisch besorgt von Bulwer-Lytton (es gibt ihn offenbar mit und ohne Bindestrich - wenn ich es richtig sehe, ist "Bulwer" sein 'bürgerlicher' Name, "Lytton" gehört zu seinem Adelsprädikat). Es handelt sich um The Coming Race und What will he do with it? - beide in deutscher Übersetzung.


    Zwei Gründe gab es für diese Wahl: Zum einen verteilte sich das Geschehen der drei Romane nun schön auf Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft. Zum andern: Es ist What will he do with it? in meiner Ausgabe von Arno Schmidt übersetzt, der ja auch 2 oder 3 Nachtprogramme zu Bulwer geschrieben hat und mich als erster auf ihn aufmerksam machte; ich lese in lockerer Folge immer wieder mal sog. 'utopische' Romane und The Coming Race kannte ich noch nicht. (Wie überhaupt Bulwer in der heutigen Rezeption offenbar fast nur noch auf The Last Days of Pompeii engeschränkt wird.)


    The Coming Race


    Meine Übersetzung, interessanterweise bei einem anthroposophischen Verlag erschienen, stammt aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Leider gekürzt, in der Eile war nix Gescheiteres zu finden ... Bulwer nimmt eine interessante Zwischenposition ein. Einerseits ist die Kritik an der existierenden (US-amerikanischen!) Gesellschaft sehr pointiert, andererseits sieht er die in der Rasse der Vrilya vorgezeichnete zukünftige Entwicklung nicht gerade positiv. Bulwer bildet so zeitlich wie 'ideologisch' eine Brücke zwischen Morus, Campanella oder Bacon einerseits, Wells, Huxley oder Orwell andererseits. Vor allem hat er eines ganz klar gesehen: Die Konsequenz der Verwirklichung einer perfekten Utopie wäre - Stagnation auf allen Gebieten.


    What will he do with it?


    Mein Kindler vergleicht diesen Roman Bulwers mit den entsprechenden Werken von Collins oder Dickens. Ich bin noch nicht fertig damit (ersta auf S. 150 von weit über 1000!), weiss auch nicht, wieviel von der Qualität des Romans wir seinem Übersetzer Schmidt zu verdanken haben, aber Bulwer hält diesem Vergleich durchaus stand. Er schreibt ohne die mir z.T. widerwärtige larmoyante Sentimentalität eines Dickens. Immer liegt ein ironisches Zwinkern in seinen Augen. Dennoch, da ich im grossen und ganzen auch Dickens sehr gut mag, wage ich zu behaupten: Wer Dickens mag, sollte auch dieses Werk mögen.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Hallo zusammen!


    Nachtrag, da ich in der Mittagspause etwas Zeit hatte, im Internet zu recherchieren:


    Das Original von What will he do with it? scheint im selben ironischen Ton geschrieben zu sein wie die deutsche Übersetzung.


    Lytton ist tatsächlich Bulwers 'baronisierter' Name. In englischen Lexika übrigens nur unter diesem Namen zu finden ...


    Und beim Thema Vril(ya) stösst man auf ganz interessante Zusammenhänge: von den Theosophen bis hin zu einem angeblichen arischen Geheimbund. Und auf meinen alten "Freund" Gurdjieff bin ich auch wieder gestossen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen!


    Nun habe ich - endlich! - Was wird er damit machen? beendet.


    Mein Fazit: Bulwer Lytton ist tatsächlich (zumindest in diesem Roman!) ein grosser Erzähler. Obwohl es nicht an Thackerey herankommt, schlägt dieses Buch den durchschnittlichen Dickens doch um Längen. (Nur der ganz reife Dickens - Great Expectations, Tale of Two Cities - ist doch besser ... ) Zwar kann Dickens - wohl aus eigener Erfahrung - die Welt der Armen besser beschreiben; den Mittelstand und den Adel seiner Zeit beschreibt Bulwer Lytton - wohl auch aus eigener Erfahrung - doch besser. Eine leise Ironie schwebt über allen Figuren. Die Handlung ist hanebüchen, trivialliteraturverdächtig. Doch diese Ironie (und die fast völlige Abwesenheit von Schmalz, mit der Dickens doch vieles zuschmiert ... ) macht alles wieder gut.


    Für einmal ein Literaturtipp von Arno Schmidt, dem zu folgen sich lohnt ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo sandhofer,


    jetzt hast Du mich doch sehr neugierig gemacht! Mit Dickens also vergleichbar? Dann wäre das doch etwas für mich!


    Zitat von "sandhofer"

    Eine leise Ironie schwebt über allen Figuren. Die Handlung ist hanebüchen, trivialliteraturverdächtig. Doch diese Ironie (und die fast völlige Abwesenheit von Schmalz, mit der Dickens doch vieles zuschmiert ... ) macht alles wieder gut.


    Jedenfalls: Ironie? Damit hat schon Jane Austen mich begeistert und es sieht ganz so aus, als ob das hier auch was für mich wäre!


    Liebe Grüße
    nimue

  • Hallo sandhofer !


    Danke für deine Einschätzung über Bulwer Lytton. Der Name sagte mir gar nichts, aber im Zuge meines englische-Literatur-Projektes werde ich ihn mir auf jeden Fall vornehmen, spätestens zu Pompeji-Leserunde:zwinker: - obwohl Dickens nicht so auf meiner Linie liegt (...eben dieser Schmalz ... ).


    Gruß von Steffi

  • Hallo, sandhofer und Freunde der englischen Literatur,


    ja, das scheint wirklich ein guter Lektüretipp zu sein. Ich fand den Titel schon immer ungewönlich und daher anregend.
    Übrigens finde ich, dass B.L. in "Pompeji" auch ganz schön herumschmalzt, wenn ich mich recht erinnere (ist schon mindestens 15 Jahre her, dass ich den Roman gelesen habe).
    Bis auf die mir unerträglichen Weihnachtserzählungen kann ich mit dem Dickensschen Schmalz sehr gut klar kommen, denn er kann ja auch extrem sarkastisch sein. Beispiel Edwin Drood, die Gesellschaft der Men-
    schenfreunde, wie du sagst, sandhofer, auch ein, ja der späteste.
    Das haben so einige Engländer an sich, diese Mischung aus Kitsch und Sarkasmus, z.B. auch Lewis Carroll in seinem Roman "Sylvie & Bruno".
    Auch bei Charlotte Bronte und George Elliot schmalzt und piekst es häufig in unmittelbarer Nähe, während Austen piekst, aber nie schmalzt.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "finsbury"

    Übrigens finde ich, dass B.L. in "Pompeji" auch ganz schön herumschmalzt, wenn ich mich recht erinnere (ist schon mindestens 15 Jahre her, dass ich den Roman gelesen habe).


    Das halte ich für sehr gut möglich (auch ich warte da auf die gemeinsame Leserunde ... ). Vril oder eine Menschheit der Zukunft war ja - wenigstens in meiner Übersetzung - absolut knochentrocken; Was wird er damit machen? wirklich saftig und mit feiner Ironie erzählt - - ich weiss nicht, ob es einen typischen Bulwer Lytton gibt, und welcher es wäre.


    Zitat von "finsbury"

    Das haben so einige Engländer an sich, diese Mischung aus Kitsch und Sarkasmus, z.B. auch Lewis Carroll in seinem Roman "Sylvie & Bruno".


    Irgendwo in den Tiefen dieses Forums müsste ein Thread dazu sein, den ich mal angefangen habe. Ich würde zwar bei Caroll nicht von Sarkasmus sprechen (dazu ist er zuwenig Menschenfeind), aber v.a. der absolut kitschige Schluss hat mich schon immer irritiert.


    Zitat von "finsbury"

    Auch bei Charlotte Bronte und George Elliot schmalzt und piekst es häufig in unmittelbarer Nähe, während Austen piekst, aber nie schmalzt.


    Was ich von den drei Brontë-Schwestern kenne: ok, ja. Von der Elliot kenne ich nur The Mill on the Floss und Adam Bede - habe aber eigentlich da überraschend wenig Schmalz im Gedächtnis behalten. Austen kann, wenn ich mich recht erinnere, auch ganz schön Schmalz aufstreichen. Selbst Thomas Hardy iirc ist nicht ganz frei davon.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Moin, Moin!


    Über den <a href="http://www.gbv.de/dms/faz-rez/720108_FAZ_0107_BuZ5_0004.pdf">gigantischen</a> <a href="https://www.perlentaucher.de/buch/edward-bulwer-lytton/was-wird-er-damit-machen.html">Roman</a> <a href="http://www.suhrkamp.de/buecher/was_wird_er_damit_machen_-edward_george_bulwer-lytton_80380.html">Was wird er damit machen? Nachrichten aus dem Leben eines Lords</a> (2015 von Suhrkamp in <a href="http://www.amazon.de/Was-wird-damit-machen-Nachrichten/dp/3518803808/">6 Bänden im Schmuckschuber</a> neu verlegt) von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Bulwer-Lytton,_1._Baron_Lytton">Edward George Bulwer-Lytton</a> und übersetzt von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Schmidt">Arno Schmidt</a> schreibt Werner von Koppenfels in <a href="http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/edward-bulwer-lytton-was-wird-er-damit-machen-vergesst-downton-abbey-ld.83804">"Vergesst 'Downton Abbey'!"</a> eine Würdigung. Und natürlich hat mein <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=6402">bewundertes</a> <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5986">Lesegenie</a> das Buch <a href="http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/942.msg11791#msg11791">gelesen</a> und <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=2540">nicht nur das</a> vom <a href="http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/942.0">Autor</a>.


    Angesichts der vielen (für meine Miszellen nötigen) Links nur die Bemerkung: Der Koppenfels-Artikel war der Auslöser. Ich fand ihn in einem <a href="https://twitter.com/lustauflesen/status/735134496060760064">Tweet</a> von Jochen Kienbaum.


  • Moin, Moin!


    Über den <a href="http://www.gbv.de/dms/faz-rez/720108_FAZ_0107_BuZ5_0004.pdf">gigantischen</a> <a href="https://www.perlentaucher.de/buch/edward-bulwer-lytton/was-wird-er-damit-machen.html">Roman</a> <a href="http://www.suhrkamp.de/buecher/was_wird_er_damit_machen_-edward_george_bulwer-lytton_80380.html">Was wird er damit machen? Nachrichten aus dem Leben eines Lords</a> (2015 von Suhrkamp in <a href="http://www.amazon.de/Was-wird-damit-machen-Nachrichten/dp/3518803808/">6 Bänden im Schmuckschuber</a> neu verlegt) von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Bulwer-Lytton,_1._Baron_Lytton">Edward George Bulwer-Lytton</a> und übersetzt von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Schmidt">Arno Schmidt</a> schreibt Werner von Koppenfels in <a href="http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/edward-bulwer-lytton-was-wird-er-damit-machen-vergesst-downton-abbey-ld.83804">"Vergesst 'Downton Abbey'!"</a> eine Würdigung. Und natürlich hat mein <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=6402">bewundertes</a> <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=5986">Lesegenie</a> das Buch <a href="http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/942.msg11791#msg11791">gelesen</a> und <a href="http://blog.litteratur.ch/WordPress/?p=2540">nicht nur das</a> vom <a href="http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/942.0">Autor</a>.


    Angesichts der vielen (für meine Miszellen nötigen) Links nur die Bemerkung: Der Koppenfels-Artikel war der Auslöser. Ich fand ihn in einem <a href="https://twitter.com/lustauflesen/status/735134496060760064">Tweet</a> von Jochen Kienbaum.



    würde mich reizen. Eine wirklich schmucke Ausgabe !


    Außerdem habe ich noch nichts von Bulwer-Lytton gelesen.

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Och, "Was wird er damit machen?" hab ich 2x gelesen, das kann man immer mal einschieben, liest sich locker weg ;-).


    Dem kann ich nur zustimmen. (Hab's allerdings nur einmal gelesen. Und was die Suhrkamp-Ausgabe mit den zusätzlichen Materialien des Übersetzers Schmidt betrifft, kann ich keine Aussage treffen, ich habe hier noch die Original-Ausgabe von 1971 (Goverts Krüger Stahlberg).)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ja, aber nicht der gesamte Thread, sondern nur dein Posting. :schulterzuck:


    Da sind - aus den Zeiten einer andern Software, wo man den Titel jedesmal neu vergeben musste und dies auch frei tat, sowieso immer mal wieder andere Titel drin. Das lasse ich mal so.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus